Potemkinsches DorfA. Was kann man zu jemandem sagen der handelt, ohne Bewusstsein über den Sinn seines Tuns? Und was würde sich so jemand auch sagen lassen, wenn er behauptete, dass eben gerade das sein Wille sei? "Die Linke.SDS." verfolgt in ihrem Tun kein strategisches Ziel und - weit gefährlicher - es gibt über die fehlende Strategie des Verbandes auch keine Diskussion. Wie in dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, gibt es stattdessen aber einen unausgesprochenen Konsens im Verband, nach welchem das Fehlen jeder Konzeption die beste aller Konzeptionen wäre, - ein wahrer Triumph genialischer Intelligenz über den kindischen Dogmatismus der Väter! (Auf die verschiedenen pseudowissenschaftliche Verbrämungen diewses Sachverhalts durch modische Termini einzugehen, die nie klar definiert wurden, werden sollen oder auch nur könnten, lohnt der Mühe nicht.) Trotzdem:
Im Nachfolgenden soll dieser Vorschlag noch einmal skizziert und um einige kurze Ausführungen ergänzt werden über die Bestimmung sozialistischer Politik an der Hochschule aus ihrem Verhältnis zum gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess. Eine umfassendere Darstellung unserer Strategievorstellungen wird als begleitende Begründung eines Antrages auf tatsächlichen "Strategiewechsel" noch vor dem bevorstehenden Bundeskongress verteilt werden. B. Ausgehend von dem Ziel, die unmittelbaren Produzenten sollen über Form und Inhalt der gesellschaftlichen Produktion kollektiv selbst bestimmen können und ihre objektive Verantwortung bewusst übernehmen, ist jedem Teil des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters eine bestimmte Aufgabe im Transformationsprozess zugewiesen. Die politischen Aufgaben der sozialistischen Studentinnen und Studenten ergeben sich aus ihrer zukünftigen Stellung im Produktionsprozess als technisch-wissenschaftliche Intelligenz, denn diese Funktion bestimmt auch den Inhalt und die Form der wissenschaftlichen Qualifikation ihrer Arbeitskraft, welche den vorübergehenden, besonderen sozialen Status der Studierenden ausmacht.
Dazu ist auch die verselbständigte Wissenschaft in ihrem Schein gesellschaftlicher Unvermitteltheit und Positivität ins Bewusstsein der vereinigten Produzenten zurückzunehmen und auf den bewusst gesetzten Zweck universeller Bildung zur Selbsttätigkeit hin umzustellen. Wenn aber die praktische, sich avantgardistisch im Studierendenverband realisierende Wissenschaftskritik auch die vornehmste Aufgabe der sozialistischen Studentinnen und Studenten ist, so würde deren Wahrnehmung doch in einem schlechten Voluntarismus enden müssen - worauf hinzuweisen im Übrigen die wohl unwiderstehlichste Melodie opportunistischer Rattenfänger ist - verbände sich mit ihr nicht zugleich nach dem Studium eine Perspektive revolutionärer Berufspraxis. Dazu müsste jedoch der Aufbau einer Infrastruktur von bundesweiten "proletarischen Bildungseinrichtungen", die von der Keimform des Studierendenverbandes ausginge, integraler Bestandteil einer progredierenden Sozialisierungsbewegung sein, die in der Lage wäre diese Strukturen zu nutzen, zu tragen und auszuweiten. Das Hans-Jürgen-Krahl-Institut hat mit dem Modell des "praktischen Sozialismus" eine Verlaufsform solcher unmittelbaren Vergesellschaftungen entwickelt, in deren Zusammenhang auch der politischen Partei neue, andere Aufgaben zufielen, als die bisherigen. Hat der "sozialistische-demokratische Studierendenverband" für solche Debatten und Experimente den Mut und die Substanz, oder hat sich die Partei mit den von ihr finanzierten Kampagnen an den deutschen Hochschulen nur Potemkinsche Dörfer geschaffen, um dem alten Sozialdemokratismus ein jugendliches Aussehen verleihen zu können? Der kommende Bundeskongress wird auch über diese Frage entscheiden müssen. Michael Grewing (SDS Bochum) und Oliver Prien für das Hans-Jürgen-Krahl-Institut |