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Rezension in Contraste

Praktischer Sozialismus – Antwort auf die Krise der Gewerkschaften

Rezension von Hilmar Kunath, erschienen in Contraste, September 2008

Dieser Text ist wirklich etwas Neues. Er will ein „Strategievorschlag zur gesellschaftlichen Transformation“ sein, ein Vorschlag eines grundlegend neuen Ansatzes, eine Dynamik zur Überwindung der bisherigen Produktionsweise in Gang zu bringen.
Man sollte allerdings die kleine Broschüre schon recht genau lesen, um das Neue darin zu erfassen. Der Text geht aus von der Beschreibung der Krise der Gewerkschaften: „Es sollte selbstverständlich sein [...] nach einer möglichst gründlichen Selbstkritik zu streben...“ (S.9)
Interessant ist m.E. auch die kurze Darstellung unter der Überschrift „Politische Parteien der Arbeiterbewegung“: „Vielmehr bietet die allgemeine politische Zielsetzung der Parteien der Arbeiterbewegung ein breites Spektrum objektiver, an die Kapitalentwicklung gebundener Möglichkeiten, von der Verstaatlichung der Produktionsmittel bis zu gesetzlichen Mindeststandards für das Arbeitsverhältnis. Unvereinbar mit dem institutionellen Eigeninteresse der Partei ist jedoch die Aufhebung der Verdinglichung des Arbeiters im Produktionsprozess durch ein unmittelbares Gemeinwesen, denn ebenso wie der ihr vorausgesetzte Staat wurzelt die Partei ihrer Form nach in genau jenen antagonistischen Produktionsverhältnissen, von denen sie real, organisatorisch wirksam abstrahiert.“ (S.15) Es wird also bezweifelt, ob die Verabsolutierung der Parteiform wirklich zu einer breiten Aktivierung und Demokratisierung der Menge der „Proletarisierten“, wie sie schreiben, betragen kann. Es geht hier also um eine gründliche Kritik an verselbständigten Formen (Kapital, Staat, Gewerkschaftsapparat, Arbeiterpartei...).
Dann werden kurz die Grenzen des aktuellen Staatsinterventionsmus aufgezeigt, um nach einer Kennzeichnung der Strukturkrise der Gewerkschaften anknüpfend an Karl Korsch die Frage nach der konkreten Ausgestaltung einer Bewegung um eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel zu stellen (S. 25). Da „der Staat selbst Teil des kapitalistischen Produktionsverhältnisses ist“ (S.25/ 26), wird ein Kurs jenseits von Markt und Staat empfohlen, in den „ein die grundlegenden Produktionsverhältnisse revolutionierendes Projekt sich innerhalb der von diesen Strukturen gesteckten Rahmenbedingungen entwickeln und zugleich als Gegenmacht selbst konstituieren muss...[...] und dabei „in ihrer Verlaufsform eine die Praxisform verändernde Kulturrevolution sein müsste, die klare Distinktionen setzt, um sich in einem antagonistischen Umfeld erhalten zu können.“ (a.a.O.)
Dann wird noch einmal festgestellt, dass es gelte „das Eigentum der unmittelbaren Produzenten an den Produktionsmitteln“ wenigstens in Keimformen herzustellen, als Grundlage eines neuen „geschichtlichen Klassenbewusstseins“ (S.27)

Es wird die Idee entwickelt, darauf hinzuwirken, einen Teil des gewerkschaftlichen Streikfonds anzulegen in einem neuen basisbestimmten, gemeinwirtschaftlichen Bereichs. Dieser Fond könnte vielleicht, wenn es gewünscht wäre, von der Gewerkschaftsbasis entwickelt werden, ohne auf den Segen der Führungen zu warten. Diese neue Gemeinwirtschaft müsste sich nicht den Rentabilitätszwängen des Marktes unterwerfen und könnte unmittelbar denjenigen zugute kommen, die als Lohnabhängige auch diesen Bereich gefördert haben.
„In dem Maße, wie sich die Arbeiterbewegung von Kapital und Staat selbständig machte und den „Sozialismus in einer Klasse“ durch den Aufbau der Gemeinwirtschaft selbstorganisierte, verlöre die Drohung mit dem Arbeitsplatzverlust tendenziell an Wirkung und könnte der Arbeitskampf direkt mit dem Ziel geführt werden, das bestreikte Unternehmen zu sozialisieren, seine Eingliederung in die Gemeinwirtschaft vorzubereiten.“ (S.30).
Hier gibt es deutliche Berührungspunkte mit einer pluralistisch-antikapitalistischen Bewegung selbstorganisierter Projekte und Betriebe, wie sie sich schon länger in der CONTRASTE ausdrückt. Also, mal lesen und an einer Konkretisierung solche Ansätze mitwirken.

Wir danken dem Autor für die Genehmigung des Abdrucks!

Stand: September 2008